Wir über uns
Wer?Was?Wie?
Wer ist der EAK?
Der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU (EAK) ist der Zusammenschluss aller evangelischen Unionsmitglieder, die wegen ihres Glaubens und seiner Grundlagen in den Unionsparteien einen Beitrag zu einer vor Gott und den Menschen verantworteten Politik leisten wollen. Im EAK arbeiten aber genauso Menschen mit, die keine Mitglieder der Unionsparteien sind, er übernimmt insofern eine wichtige Brückenfunktion zwischen Partei sowie Kirche und Gesellschaft. Der EAK hat das grundsätzliche Anliegen, evangelische Christen zum profilierten politischen Engagement zu ermutigen. Der EAK wurde 1952 in Siegen gegründet, nachdem der damalige Bundestagspräsident, Oberkirchenrat Dr. Hermann Ehlers, und andere befürchteten, die Union evangelischer und katholischer Christen könnte durch das katholische Übergewicht und die Uneinigkeit auf evangelischer Seite gefährdet sein. Um die evangelische Stimme in der Partei zu einen und zu stärken, kam es zur Gründung des EAK. (Link: Zur Geschichte des EAK) Hermann Ehlers, der erste Bundesvorsitzende des EAK, formulierte damals die immer noch aktuelle Aussage „Wir haben im deutschen Protestantismus viel zu lange die Vorstellung gehabt, dass man zwar sehr leicht Bürgermeister und Oberbürgermeister, über Ratsherren und Landtagsabgeordnete, über Staatssekretäre, Minister, Bundesminister und Bundestagsabgeordnete kritisieren könne, dass man aber das Vorrecht habe, sich von der Mitarbeit und dem Hineingehen in die gleiche Verantwortung peinlich fern zu halten, um in Neutralität und Objektivität um so gründlicher darüber urteilen zu können.“ Nach seinem plötzlichen Tod im Herbst 1954 folgten als Bundesvorsitzende des EAK : Robert Tillmanns (1954-55), Dr. Gerhard Schröder (1955-78), Prof. Dr. Roman Herzog (1978-84), Albrecht Martin (1984-90), Peter Hintze (1990-92), Dr. Angela Merkel (1992-93), und Jochen Borchert (1993-2003). Seit 2003 ist Thomas Rachel MdB Bundesvorsitzender. EAK-Bundesgeschäftsführer ist Pastor Christian Meißner. Im EAK-Bundesvorstand sind die Landesverbände einschließlich Bayern (CSU) zusammengefasst, in diesen wiederum die Kreisverbände. Seit seiner Gründung hat der EAK sich bemüht, protestantisches Denken und evangelische Überzeugungen in die Unionsparteien einzubringen, ein Forum an der Nahtstelle zwischen Kirche und Politik zu bieten und für die Kirchen auf allen Ebenen Gesprächspartner zu sein. Daher ist es heute für den EAK besonders wichtig, für seine Arbeit Menschen zu gewinnen, die in Kirche und Politik gleichermaßen zu Hause sind. Er wirkt durch das ihm verliehene Antragsrecht auf politische Entscheidungen der Union unmittelbar ein. Durch seinen Kontakt mit den Abgeordneten der Unionsparteien wird seine Stimme auch im Parlament gehört.
Was will der EAK?
Ziel und Aufgabe des EAK ist es, evangelische Bürgerinnen und Bürger für die Ziele der CDU/CSU zu gewinnen, die evangelischen Mitglieder in der CDU/CSU zu aktivieren, die evangelischen Belange in der Partei zu vertreten, die Verbindungen zu den evangelischen Kirchen weiter auszubauen und die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Konfessionen in der CDU/CSU zu fördern. Der EAK will die Besinnung auf die Fundamente evangelischer Verantwortung und die verbindliche Orientierung am Gesamtzeugnis der Heiligen Schrift für die Politik immer wieder neu vermitteln und stärken. Der EAK versteht den Menschen als Ebenbild Gottes und orientiert sich am christlichen Menschenbild. Darum will er zum rechten Gebrauch der Freiheit in Verantwortung und Bindung aufrufen und anleiten und sich für die Stärkung von verbindlichen Werten, Menschenrechten und Menschenwürde einsetzen. Der EAK ruft in Achtung der Zehn Gebote zu einem gesellschaftlichen Konsens auf, der die wichtigen Güter unseres Zusammenlebens, wie Leben, Gesundheit, Ehe, Eigentum, persönliche Ehre und Wahrhaftigkeit, schützt. Der EAK möchte das christliche Gebot der Nächstenliebe in eine aktive Politik für mehr Gerechtigkeit in unserem Lande, aber auch gegenüber anderen Völkern und Ländern, einbringen. Der EAK ist offen für neue Entwicklungen und Herausforderungen. Er arbeitet in ökumenischem Geist und im Respekt vor der „versöhnten Verschiedenheit“. Der EAK will aus dem Menschen- und Weltverständnis der Reformation, das um die „Freiheit eines Christenmenschen“ im Reich „zur Rechten und zur Linken“ (Luther) weiß, den Schwachen ein Anwalt und den Starken eine Zumutung sein. Der EAK fordert die evangelischen Christen zu verstärktem gesellschaftlichen Engagement heraus.
Wie arbeitet der EAK?
Der EAK wird auf Bundesebene durch den Bundesvorstand repräsentiert. Er erarbeitet die politischen Konzepte für eine erfolgreiche Gestaltung des Dialogs zwischen den Kirchen und den Unionsparteien. Durch Vortragsveranstaltungen und Gesprächsforen, in Stellungnahmen und Beiträgen versucht der EAK, Kenntnisse zu politischen und kirchlichen Problemstellungen unserer Zeit zu vermitteln, seine Position deutlich zu machen und dafür zu werben. Als Referenten lädt der EAK vor allem Politiker der Unionsparteien und Vertreter der evangelischen Kirchen ein. Auch Mitglieder anderer Parteien und Vertreter der Ökumene sind beim EAK immer gern gesehene Gäste. Das gilt ganz besonders auch für Fachleute aller wissenschaftlichen Disziplinen. Der EAK setzt auf Meinungs- und Bewusstseinsbildung und damit auf Gewissensschärfung. Der EAK-Bundesvorstand veranstaltet regelmäßig die „Berliner Theologischen Gespräche“, in denen aktuelle politische Fragestellungen, aber auch ethische Grundsatzfragen diskutiert werden. Weiterhin gibt der Bundesverband 10 mal im Jahr das Publikationsorgan „Evangelische Verantwortung“ (EV) heraus. Die EV versteht sich als Diskussionsforum. In ihr wird um den besten Weg für eine Politik in christlicher Verantwortung gerungen. Die Bundesgeschäftsstelle stellt neben der EV eine Vielzahl von Informationsmaterialien, wie z.B. Broschüren, Plakate und Pressemappen, zur Verfügung und organisiert Veranstaltungen.
50 Jahre EAK
Am 16. März 2002 feierte der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU (EAK) an seinem Gründungsort Siegen sein 50-jähriges Bestehen.
Der damalige EAK-Bundesvorsitzende, Jochen Borchert, begrüßte in der überfüllten Siegerlandhalle anlässlich des Festaktes neben zahlreichen prominenten Gästen aus Kirche und Politik den Alt-Bundespräsidenten und ehemaligen EAK-Bundesvorsitzenden, Prof. Dr. Roman Herzog, Alt-Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, den Ratsvorsitzenden der EKD, Manfred Kock, und die Parteivorsitzende der CDU Deutschlands und ehemalige EAK-Bundesvorsitzende des EAK, Dr. Angela Merkel.
1952 trafen sich führende Evangelische Christen der Union unter dem Leitwort „Unsere politische Verantwortung in einem geteilten Deutschland“. Hermann Ehlers, der Gründer des EAK und damalige Bundestagspräsident, wusste, dass er nur unter Zusammenführung der protestantischen Kräfte in der Union ein politisches Zeichen gegenüber der Evangelischen Kirche in Deutschland setzen konnte. Der EAK sollte als Brücke dienen, um Dialog und Begegnung zwischen Kirche und Politik zu fördern. Der EAK sollte auch in die Union hineinwirken, um den evangelischen Positionen und Überzeugungen in der Partei Raum zu geben. Diese Aufgabe erfüllt der EAK bis heute mit Erfolg.
Das klare Signal des EAK für die evangelische Christenheit in Deutschland ist über die Jahrzehnte seines Bestehens hinweg angekommen. Die 50 Jahres Feier des EAK in Siegen im Jahre 2002 ist ein bewegendes Zeitdokument für die Bedeutsamkeit des EAK für den politischen Protestantismus in Deutschland.
Festansprache des Alt-Bundespräsidenten, Prof. Dr. Roman Herzog
anlässlich der 50-Jahr-Feier des\r\nEvangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU in Siegen\r\nam 16.3.2002\r\n\r\nMeine Damen und Herren (viel Applaus), wenn Sie schon so anfangen, werden wir nie fertig.\r\n\r\nEs ist ein unglaubliches Erlebnis, die Älteren von Ihnen werden wissen, dass ich eine ganze Reihe von Jahren im Evangelischen Arbeitskreis, im Bundesvorstand, im Präsidium, dann als Bundesvorsitzender mitgearbeitet habe. Aber so einen Saal wie hier, voller Menschen, voller motivierter Menschen, habe ich eigentlich nie erlebt, obwohl unsere Veranstaltungen seinerzeit auch nicht unterbesucht waren. Und, um das gleich zu sagen, im Gegensatz zur Bundesvorsitzenden der CDU, der ich jetzt „scharf den Kampf ansage“, wünsche ich Ihnen sehr wohl noch eine große Reihe von Veranstaltungen, bei der Sie die einzelnen Leute wieder nach Hause schicken müssen. Das klingt doch in den Medien viel besser.\r\n\r\nWir blicken heute auf 50 Jahre zurück und Sie werden es mir nachsehen, dass auch ich auf diese 50 Jahre zurückblende, nicht mit so schönen Geschichten, wie es mancher meiner Vorredner getan hat, wohl aber mit dem Hinweis auf Dinge, die irgendwo abgebrochen und jedenfalls in unseren Köpfen, in unserer internen Arbeit, nicht zu Ende geführt worden sind. Das ist ja das Schicksal unserer Mediengesellschaft! Es kommen Diskussionen hoch, werden mit Leidenschaft, zum Teil sogar mit Sachkenntnis geführt, und dann geschieht, was Konrad Adenauer allerdings nicht bei der Gründung des Evangelischen Arbeitskreises gesagt hat: „Dann wird wieder ein anderes Schwein durchs Dorf getrieben“ und es kommt eine neue Diskussion hoch und die Themen bleiben unerledigt. Und es ist wünschenswert, dass gerade eine Institution wie der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU mit seinen Mitgliedern diesen Prozess des Aufarbeitens aufgreift.\r\n Ich sehe eine ganze Reihe von Phasen in der Arbeit und in der Genese des Evangelischen Arbeitskreises, in denen wir ganz unterschiedliche Denkrichtungen, aber auch ganz unterschiedliche Stoßrichtungen hatten. Es ist richtig, dass Hermann Ehlers den Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU in einer Zeit gegründet hat, in der das katholische Element in den Unionsparteien einfach stärker und nicht nur stärker, sondern dominanter war, als wir das heute erleben. Man muss das ganz nüchtern sehen. Es ist auch nicht nur um das Ansprechen evangelischer Wähler gegangen, das ist natürlich in einer Partei immer etwas ganz Wesentliches, es ist auch um die Besetzung evangelischer Positionen gegangen, das muss man einfach so sagen. Die Evangelischen sind, jedenfalls damals, überwiegend als einzelne in die Unionsparteien eingetreten, die Katholiken waren schon organisiert aus der Kolping-Bewegung, aus ganz unterschiedlichen anderen Bewegungen, aus den katholischen Studentenverbindungen, und die haben sich einfach besser gekannt. Auch ich habe mein ganzes Leben immer nur Leute gewählt, die ich gekannt habe. Das ist eine ganz menschliche Eigenschaft, eine ganz menschliche Verhaltensweise. Es ist also sehr wohl auch um personalpolitische Intentionen gegangen.\r\n\r\nAber, meine Damen und Herren, es waren Grundsätze, die nun seit Jahrhunderten immer wieder aufeinander stoßen, mit denen wir es auch zu tun hatten. Zu Beginn der 50er Jahre, das sage ich jetzt als Jurist, drangen katholische Naturrechtsvor-stellungen stark vor - dort unten sitzt ein frühes Mitglied der rheinland-pfälzischen CDU, der weiß, was ich meine, wenn ich den Namen Adolf Süsterhenn nenne. Wir haben uns damals als evangelische, junge, juristische Wissenschaftler dagegen zur Wehr gesetzt und immer darauf hingewiesen: Dieses Denken führt, es existiert bis heute, dieses Denken führt dazu, zu schnell die Frage zu stellen: Bin ich im Recht? Und, wenn ich im Recht bin, weil ein irgendwie geartetes Normensystem mir Recht gibt, dann kann ich frisch darauf los leben und kann mit mir zufrieden sein. Das ist natürlich eine Verzeichnung dessen, was katholische Naturrechtslehre ist. Aber so ist es in der Wirklichkeit häufig angekommen. Vom evangelischen Standpunkt sieht es eben anders aus. In der Predigt haben wir es heute wieder gehört. Wie immer ich mich entscheide, ich weiß als erstes: „Ich muss schuldig werden“. Es geht gar nicht anders.\r\n\r\nUnd meine Damen und Herren, das führt ja sehr häufig zu völlig gleichen und übereinstimmenden Ergebnissen, aber es ist eine völlig andere Denkstruktur, die bis heute besteht, die, wenn es nach mir geht, auf beiden Seiten auch fortbestehen soll, die aber immer wieder in ihren Ergebnissen sich an der jeweils anderen Denkstruktur korrigieren soll. Und auch etwas anderes ist lutherisch: Halte dich an die Vorschriften, aber, wenn dir dein Gewissen sagt, du kannst dich nicht an die Vorschriften halten, dann musst du dich eben nicht daran halten und die Konsequenzen auf dich nehmen. Wie oft haben wir das in den vergangenen, ich sage jetzt bewusst nicht Jahren, sondern Jahrzehnten diskutiert. Das sind Einstellungen, die uns angeboren sind, und mit denen wir einfach arbeiten und leben müssen, dass andere anders denken, von ihrer ganz anderen Herkunft aus. Dies ist selbstverständlich und trotzdem muss eigentlich jedes Ergebnis, das wir gemeinsam tragen, von beiden Denkstrukturen gedeckt werden.\r\n\r\nWas haben wir da alles auch auf unserer Seite bei dem Paragraphen 218 StGB nicht in den Griff bekommen. Dies gilt heute bei der Fortpflanzungsmedizin, der Bioethik und dergleichen. Wir sollten uns diese Dinge immer wieder ins Bewusstsein rufen und an dieser Stelle auch ein bisschen, auch als Evangelischer Arbeitskreis, theologisch, aber ich sage jetzt wirklich bewusst theologisch-psychologisch weiterarbeiten. Wir werden sonst immer wieder in Schwierigkeiten kommen.\r\n\r\nDann kam die nächste Phase des Evangelischen Arbeitskreises unter dem großartigen Bundesvorsitzenden Gerhard Schröder, unserem Gerhard Schröder. Auch ich muss das hier wiederholen. Da ist der Evangelische Arbeitskreis neben allem anderen, was an stiller Arbeit, insbesondere in der sogenannten Studiengruppe geleistet worden ist, immer wieder bei seinen Bundestagungen zur Plattform großer außenpolitischer Reden geworden. Das war für den Evangelischen Arbeitskreis wichtig, weil er auf diese Weise ein ungeahntes öffentliches Interesse erfahren hat, aber es war natürlich auch für Gerhard Schröder wichtig, weil beim Evangelischen Arbeitskreis stärker mit Gedanken, mit neuen Gedanken, experimentiert werden konnte, weil die Mitglieder des Evangelischen Arbeitskreises für neue Gedanken viel aufgeschlossener waren als manch andere von unseren „Spielkameraden“ in den beiden Unionsparteien, und weil der Evangelische Arbeitskreis in der Öffentlichkeit so eingeschätzt wurde, aber sich auch selbst so einschätzte, dass er zwar zur Partei gehörte, aber immer auch ein bisschen außerhalb der Partei war, eine kleine Gedankenschmiede für die Partei und gelegentlich sogar ihr gutes, ihr vorantreibendes Gewissen. Diese Diskussionen ins Unreine, man setzt sich einmal zusammen, wirft einen Gedanken auf und sieht, was in der Diskussion unter verständigen Menschen daraus wird. Diese Diskussionen, die konnten nie ganz der Partei angerechnet werden, was ein politischer Vorteil war, sie konnten aber eben auch so geführt werden, dass Neues daraus entstehen konnte, was ein politischer Vorteil war. Die Studiengruppe habe ich dabei bereits erwähnt, die zu bestimmten Zeiten eine ganz gewaltige Rolle gespielt hat. Wenn Sie etwa daran denken, dass die ersten Ideen, die Wilhelm Hahn schließlich zu seinem Aufruf „Mut zur Erziehung“ veranlasst haben, in der Studiengruppe des Evangelischen Arbeitskreises geführt und diskutiert worden sind, dann wird Ihnen diese Bedeutung bewusst. Wenn Sie daran denken, was darin für Chancen enthalten gewesen wären, wie das in einem öffentlichen Sturm von bewussten und unbewussten Missverständnissen untergegangen ist und wie heute plötzlich die gesamte Öffentlichkeit wieder in dieser Frage nach Wegweisung lechzt, dann sehen Sie vielleicht, wieweit Wilhelm Hahn und seine Mitstreiter damals voraus waren.\r\n\r\nEs sind dann die Auseinandersetzungen um die Brandtsche Ostpolitik gekommen. Diese war in der CDU/CSU umstritten. Die einen waren dafür, die anderen dagegen. Das aber will ich überhaupt nicht mehr in Ihr Gedächtnis zurückrufen. Heute sage ich, dass das, was damals theologisch andiskutiert und zum Teil auch missbraucht wurde, nie aufgearbeitet worden ist. Wir sollten uns das sehr genau ansehen.\r\n\r\nIch habe nicht mehr das Recht, im Evangelischen Arbeitskreis Agenden vorzuschreiben, aber ich möchte ihn doch daran erinnern. Begriffe wie Barmherzigkeit, Verzeihung, Brüderlichkeit und Versöhnung haben in der Theologie eine ganz andere Bedeutung, eine ganz andere Dimension als im menschlichen Leben, ja im politischen Leben. Sie haben dort natürlich ihr Recht, aber sie erfahren bei der Übertragung aus der theologischen in die politische Szene Inhaltsveränderungen. Denken Sie insbesondere an den Begriff der Versöhnung, was hat das für eine geistige Verwirrung gegeben. Wie sich das im Einzelnen verhält, darüber sollten wir nachdenken. Niemand weiß, in welche Zeiten wir hineingehen. Im Augenblick schaut es für die Unionsparteien wieder etwas besser aus. Das muss nicht immer so sein! Wer weiß, wann wir wieder so herausgefordert werden, und wir sollten darauf besser vorbereitet sein, als das vor jetzt fast 30 Jahren der Fall war.\r\n\r\nUnd wir sollten noch auf etwas ganz anderes besser vorbereitet sein, meine Damen und Herren, der Kampf um den NATO-Doppelbeschluss ist bereits erwähnt worden, das ist noch nicht lange her, das ist noch keine 20 Jahre her, und ich war damals Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises. Schon damals hatte der EAK in dieser Frage bedeutende Beiträge geleistet. Die Frage: Was bedeutet die Bergpredigt überhaupt? Wie steht sie theologisch da?, ist damals aber völlig ausgeklammert worden.\r\n\r\nWenn damals einer von uns das gesagt hätte, was man in theologischen Werken dazu nachlesen kann, meine Damen und Herren, er wäre wegen Nichtchristentums gesteinigt worden, und zwar insbesondere von nichtchristlichen Mitbürgern, die das ja immer ganz besonders genau wissen. Und ich kann Sie nur bitten und ermahnen: Greifen Sie das irgendwann unter sich einmal wieder auf. Es kann wieder passieren. Die Frage bei der Zusammenfassung der Bergpredigt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, lässt einen ja fragen: Wer ist eigentlich dein Nächster? Kann das in die Politik herübergezogen werden? Dies ist immer verneint worden! Ich habe es immer bejaht! Aber die Frage ist dann: Wer ist dein Nächster? Ist es nur der, der in einem absehbaren oder denkbaren Krieg stirbt? Oder vielleicht auch der, der in der DDR in eine psychiatrische Klinik eingesperrt war und dort mit Medikamenten\r\n\r\nabgespritzt wurde?\r\n\r\nMeine Damen und Herren, darüber ist nie wirklich gesprochen worden. Wir sollten uns darauf vorbereiten. Und dann kam natürlich damit in Zusammenhang das, was auch schon ganz vornehm in Anwesenheit hoher Geistlicher gesagt worden ist: Der Abwehrkampf gegen einen zeitweise doch sehr aufdringlichen und penetranten Linksdrall in der Evangelischen Kirche.\r\n\r\nSie kennen mich gut genug, um zu wissen, dass ich jedem seine eigene politische Überzeugung lasse, und dass ich sie respektiere, aber es ist die historische Wahrheit, dass schon zwischen den beiden Weltkriegen führende deutsche evangelische Theologen in die stalinsche Sowjetunion gereist sind und zurückgekommen sind und davon begeistert waren und über die Gewalttaten dieses Regimes keine halbe Silbe verloren haben. Der vorher erwähnte Hans Asmussen hat das zur rechten Zeit kritisiert, und es ist ihm kirchenpolitisch nicht gut bekommen.\r\n\r\nOder, wenn Sie sich vorstellen, was passiert wäre, wenn einer von uns – wir haben es ja nicht gewusst – aber wenn einer von uns nicht im Jahre 1989, sondern 1985 nur das gesagt hätte, was wir dann in Denkschriften für das Politbüro der SED über den Zustand der DDR Wirtschaft nachlesen konnten. Ich habe das alles später nachgelesen, weil es mit zur Grundlage der Rechtsprechung des Bundesver-fassungsgerichts gehört, dann wären wir mundtot gemacht worden. Und in der Evangelischen Kirche wären unendlich viele aufgetreten und hätten das Allerschlimmste gesagt, was man unter evangelischen Christen überhaupt sagen kann. Sie hätten gesagt, dass man unbrüderlich wäre. Und ich kann nur sagen: Das ist vorbei. Nicht nur die unendlich schreckliche Trennung des deutschen Vaterlandes, sondern es ist eben auch dieses Gegeneinander vorbei.\r\n\r\nIch habe es auch von der anderen Seite erlebt. Da wurde irgendwo ein EAK-Kreisverband gegründet. Und dann musste man zunächst die Geistlichen vor irgendeinem empörten Schäfchen in Schutz nehmen. Das habe ich auch erlebt! Von beiden Seiten ist dieses Spannungsverhälntnis, das ein t\r\n\r\neuflisches Spannungsverhältnis war, einer kritischen, aber doch einer völlig sachlichen Gesprächsatmosphäre gewichen, und ich sage dafür Dank, insbesondere auch an die Adresse der Evangelischen Kirche und deren hohen Repräsentanten, die Sie hier vertreten. Es ist einfach besser geworden. Das kann ich sagen, denn ich habe Zeiten erlebt, in der Gemeindemitglieder den Evangelischen Arbeitskreis als so eine Art Ersatzkirche in Anspruch genommen haben, und das war für die Evangelische Kirche kein gutes Zeugnis und für den Evangelischen Arbeitskreis nicht das, was er sich wünschen konnte, und auch nicht das, was er sich leisten konnte.\r\n\r\nUnd jetzt lassen Sie uns noch ein paar Minuten nachdenken über das, was in der Zukunft zu geschehen hat. Ich habe nicht zu ergänzen und auch nicht zu wiederholen, was Frau Merkel in ihren drei Punkten gesagt hat, was in den anderen Reden diskutiert worden ist. Aber ich möchte doch noch auf zwei Dinge hinweisen, von denen das eine wenigstens schon zu einem Drittel angesprochen worden ist.\r\n\r\nZunächst einmal, und auch das ist eine gute Entwicklung der letzten 20 Jahre im EAK, gehen Sie weg von den alten Themen, auch von den alten Überschriften: Das Ost-West-Problem, das uns in der Evangelischen Kirche und entsprechend auch im Evangelischen Arbeitskreis nun wirklich immer wieder gepeinigt hat, ist zwar noch nicht erledigt, aber es ist auf eine ganz andere Ebene gestellt. Aber lassen wir die abstrakten Diskussionen. Vielleicht wird mich der eine oder andere missverstehen, wenn ich sage, Papiere über Grundwerte, Grundrechte, Menschenrechte, Tugenden, Sekundärtugenden, auch Papiere über die Europäische Integration haben wir genug, da brauchen wir keine neuen mehr abzusondern. Worum es jetzt in all den Bereichen, die ich kurz angetippt habe, geht, ist etwas ganz anderes. Wir bewegen uns auf allen diesen Gebieten auf die Detailarbeit zu. Und die kann man nicht einfach von einzelnen Normen oder Überschriften oder Schlagworten, die man in die Welt setzt, herleiten und abstrahieren. Dort unten sitzt Ingo Friedrich! Wir haben das zusammen im Grundrechtskonvent der Europäischen Union versuchen müssen und haben es auch mit anderen Denkmethoden geschafft. Aber die Frage, die bisher schon in dem Bereich Bioethik mehrfach angetippt worden ist, die wird uns noch beschäftigen: In welche Welt gehen wir eigentlich hinein? In welche Welt gehen unsere Kinder h\r\n\r\nnein? In welche Welt lassen wir unsere Kinder und Enkel hineingehen? Politisch und wirtschaftlich: Was steckt in der Globalisierung und in der zum Teil völlig hysterischen Globalisierungskritik, eigentlich an wirklichen Problemen und an wirklich Berechtigtem? Das müssen wir näher wissen. Da kann man nicht nur mit einem „Ja“ oder einem „Nein“ zur Globalisierung arbeiten. Wie entwickelt sich diese Welt, die wir so leichthin als eine technisch wissenschaftliche Welt bezeichnen, bei der es endlich, das muss ich wirklich sagen, die Bereitschaft zur Risikoabwägung gibt, bei der es aber noch dringender wäre, dass aus dieser Risikoabwägung, die uns jeder empfiehlt, eine Abwägung von Chancen und Risiken würde? Dass es aufhört, dass man bei jeder neuen Entwicklung gleich nachdenkt, warum man dagegen ist, sondern auch abwägt, was an Segensreichem enthalten sein soll und wie groß die Hoffnung ist, dass sich positive Entwicklungen daraus ergeben.\r\n\r\nAuch die Bildung ist angesprochen worden. Hier stellt sich die Frage: Was muss der Mensch in so einer Welt eigentlich wissen? Muss er wirklich, um es zu übertreiben, Karl IV. und Karl V. noch unterscheiden können? Ist es vielleicht sogar zweckmäßig, wenn er das kann – auch in dieser neuen Welt? Was muss er an Geschichte kennen, was muss er an Bildung mitbringen, um in der technischen Welt bestehen zu können? Welche Pisa-Studie sagt mir eigentlich nicht nur, wo die Deutschen beim Rechnen und in der Mathematik stehen, was sicherlich eine wichtige Sache ist, sondern auch, wie es sonst mit der Bildung steht?\r\n\r\nWie stark muss der\r\n\r\nMensch sein, den man in eine solche ungewisse Welt hinein schickt, bei der man nur weiß, er schwimmt mit, er kann im Strom das eine oder andere Ufer anpeilen oder etwas gegen den Strom schwimmen oder mit dem Strom schwimmen, bei dem aber niemand genau mehr sagen kann, wo der Strom hinfließt? Wie stark muss er da sein, und zwar nicht im Schwimmen mit Arm- und Beinmuskeln, sondern in seinem Wissen, in seinem Charakter, in seinem Glauben? Das ist das, was der verstorbene Wilhelm von Hahn mit „Mut zur Erziehung“ meinte. Und wie ist das alles zu erreichen?\r\n\r\nDa sagt man Menschenwürde. Aber was ist Menschenwürde? Ich kann aus der Menschenwürde vieles herleiten, aber ich kann nie irgendetwas zu 100 % herleiten, da gibt es immer noch Stellen hinter dem Komma, die eben entschieden und damit verantwortet werden müssen. Wie machen wir das eigentlich? Und ich wüsste niemand anderen als den Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU, der sich mit solchen Dingen nicht in großen Tagungen, aber in kleinen Gesprächskreisen, ernsthaft und immer wieder befassen könnte.\r\n\r\nUnd damit die zweite Frage. Wir sehen unser Verhältnis zur übrigen Welt allmählich nur noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, etwa unter dem Gesichtspunkt der Entwicklungshilfe-Politik. Aber meine Damen und Herren, die Kräfte, die da in der Welt entstanden sind und weiter entstehen: Der Islam, der Hinduismus, der chinesische Konfuzianismus, der Buddhismus koreanischer Prägung und anderer Prägungen, die werden immer selbstbewusster. Die werden uns fragen, meine Damen und Herren, was glaubt ihr eigentlich?\r\n\r\nUnd unser Problem im Umgang mit diesen Menschen ist, dass wir die Antwort Freiheit haben. Die Freiheit ist zwar absolut überzeugend für den, der sie erlebt hat, aber sie ist nicht überzeugend für den, der sie kritisch von außen sieht. Hier muss man etwas mehr sagen. Da muss man etwas Butter zu den Fischen tun. Und was bringen wir da eigentlich ein? Ist es nicht augenblicklich unser entscheidendes Problem, dass wir etwa mit einem Islam, und ich spreche jetzt nicht von den Fundamentalisten und schon gar nicht von den Terroristen, deswegen nicht – oder wenig – ins Gespräch kommen können, weil wir es mit einer naturwüchsigen Frömmigkeit von Millionen Menschen zu tun haben und wir selber diese naturwüchsige Frömmigkeit gar nicht mehr aufbringen oder jedenfalls nur noch in einzelnen Gestalten, die wir haben. Da spricht man auf verschiedenen Ebenen.\r\n\r\nIch habe, solange ich Bundespräsident war, immer wieder zum Dialog der Kulturen aufgefordert! Da hatte ich doch nicht die Vorstellung, dass man Veranstaltungen für Pathologen und Professoren und ein paar Spitzenjournalisten organisiert.\r\n\r\nHier stellt sich die Frage:\r\n\r\nWas begreifen wir von den anderen?\r\nWas sagen wir den anderen, wer wir sind?\r\n\r\nIch werde Ihnen in dieser Frage auch heute keine Antwort mehr geben! Ich muss wirklich wegen eines lange vorher vereinbarten Termins jetzt ganz schnell weg und die Nationalhymne möchte ich doch noch mitsingen. Deswegen will ich mit diesen Fragen schließen, meine Damen und Herren.\r\n\r\nIch habe mich im Evangelischen Arbeitskreis immer wohlgefühlt. Ich habe nie, ich sage es noch einmal, solche vollen Säle erlebt, obwohl ich auch volle Säle erlebte habe, der schönste war seinerzeit in Wuppertal, wo wir Karl Carstens als Bundespräsidentenkandidaten präsentiert haben.\r\n\r\nIch wünsche Ihnen weiterhin so volle Säle und ich wünsche Ihnen, eigentlich nicht Ihnen, sondern mir, dass Sie das eine oder andere von dem, was ich jetzt gesagt habe, beherzigen.\r\n\r\nEs muss ja nicht alles richtig sein, aber das meiste stimmt schon.
Grußwort der Parteivorsitzenden der CDU Deutschlands, Dr. Angela Merkel
Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU in Siegen am 16.3.2002\r\n\r\nSehr geehrter Herr Bundespräsident, lieber Roman Herzog,\r\nsehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Helmut Kohl,\r\nlieber Jochen Borchert,\r\nsehr geehrter Herr Vorsitzender des Rates,\r\nliebe Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,\r\nlieber Jürgen Rüttgers,\r\nliebe Gäste,\r\n\r\n\r\nich gratuliere dem Evangelischen Arbeitskreis. Ich bin selber Mitglied und insofern, lieber Jürgen Rüttgers, würde wahrscheinlich Konrad-Adenauer angesichts dessen, was wir gehört haben, nur noch sagen: Die Welt ist aus den Fugen.\r\n\r\nAber, meine Damen und Herren, es hat sich eben auch vieles getan. Dank der Christlich Demokratischen Union in Deutschland, dank der Tatsache, dass nach dem 2. Weltkrieg diese Partei ganz wesentlich aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus gegründet wurde und von Anfang an Wert darauf gelegt hat, dass es Brücken gab, Brücken zwischen den Konfessionen. Als wir 1990 in den neuen Ländern, ich selbst in Mecklenburg-Vorpommern, die ersten Schritte in die Christlich Demokratische Union und in der Christlich Demokratischen Union machten, da wussten wir über die Gründungsgeschichten und das nicht immer einfache Mehrheits- und Minderheitsverhältnis von katholischen und evangelischen Christen noch nicht so sehr viel. Aber wie immer lernt man aus eigener Erfahrung und auch aus der Erfahrung derer, die unsere Berater waren. Und ich habe in guter Erinnerung, dass in der mecklenburg-vorpommerschen CDU, in einer Umwelt, in der weitaus nicht mehr jeder einer Kirche angehört, beim Ankreuzen von Namen bei der Landesvorstandswahl jemand plötzlich zu mir sagte: „Hören Sie auf, Katholiken anzukreuzen.“ Ich guckte den Mann vollkommen erschrocken an, weil ich mir noch nie darüber Gedanken gemacht hatte, ob es sich bei den zur Wahl stehenden um katholische oder evangelische Christen handelt. Mir lacht hier aus der 3. Reihe Rainer Prachtl, einer der gemeinten Katholiken, aus Mecklenburg-Vorpommern entgegen. Er ist unser ehemaliger Landtagspräsident.\r\n\r\nEs hatte sich im Zuge der Deutschen Einheit gezeigt, dass die Tatsache, dass die Strukturen der Katholischen Kirche immer noch einheitliche Strukturen waren, auch sehr starke Auswirkungen auf den Aufbau der Christlich Demokratischen Union nach der Wende in den neuen Ländern hatte. Aber ich sage auch, dass eine Organisation wie der Evangelische Arbeitskreis seine stille Faszination auf eine ganz eigenwillige Art und Weise auch in den neuen Bundesländern entfaltet hat. Jochen Borchert hat über die zehnjährige Feier in Thüringen erzählt. Ich persönlich habe oft erlebt, dass in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen gerade zu Veranstaltungen des Evangelischen Arbeitskreises hunderte von Menschen kommen, obwohl dies vorher überhaupt nicht erwartet wurde. Und das nicht mehr aus Gründen der Balance von katholischen und evangelischen Christen in unserer Partei, sondern aus der Sehnsucht nach grundsätzlichem Nachdenken. Vielleicht ist das eine gewagte Hypothese, aber manchmal habe ich heute den Eindruck, dass die Mitglieder der CDU, die katholischen Glaubens sind, uns, die Evangelischen, fast ein bisschen beneiden, dass wir so etwas wie den Evangelischen Arbeitskreis haben.\r\n\r\nUnd lieber Jochen Borchert, die Tatsache, dass bei den Veranstaltungen im Konrad-Adenauer-Haus niemals Mangel an Menschen, manchmal aber Mangel an Stühlen herrscht, dass die Themen, die zur Debatte stehen, die Menschen unglaublich interessieren, das zeigt, dass wir in einer Zeit leben, in der nicht Beliebigkeit gewünscht ist, sondern Bestimmtheit und die Frage nach grundsätzlichen Werten. Und dass es eine Organisation gibt, die sagt: „Wir wollen Traditionen bewahren, aber wir sind auch bereit in protestantischer Tradition quer zu denken“, und dass die verschiedenen Mitglieder und Charaktere in diesem Evangelischen Arbeitskreis sich vertragen und im Spannungsfeld interessante Diskussionen führen, das halte ich für eine der großen Leistungen des Evangelischen Arbeitskreises.\r\n\r\nBei jeder politischen Entscheidung schwingen ja die Fragen mit: Wie verstehen wir unsere Bundesrepublik Deutschland? Was sind unsere Grundlagen? Und liebe Gäste, ich habe mir viele Gedanken gemacht über das Motto, was Sie sich hier gegeben haben: „1952 - Unsere politische Verantwortung in einem geteilten Deutschland“ – so weit, so gut – aber „2002 – Unsere politische Verantwortung für ein geeintes Deutschland“. Na ja, ich vermute mal in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern würde man schreiben: Unsere politische Verantwortung in einem geeinten Deutschland, aber vielleicht ist das Thema, das wir miteinander in den nächsten Jahren zu besprechen haben, ja mindestens dies: Was ist die politische Verantwortung Deutschlands nach der deutschen Einigung? Was ist die politische Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland in Europa, wie es Helmut Kohl gesagt hat, eines geeinten Deutschlands in der Welt. Was ist unser Selbstverständnis? Was leitet uns? Was bringt uns voran, und was wollen wir politisch für die Menschen in diesem Lande erreichen?\r\n\r\nWir brauchen Maßstäbe, und da ist mit Sicherheit der Begriff der Leistung, dessen was wir können, was in uns steckt, einer, der uns wieder mehr leiten muss. Dieser Begriff hat viele nach dem 2. Weltkrieg geleitet. Wenn damals Leistung etwas gewesen wäre, was als schrecklich, inhuman, unsozial gegolten hätte, dann hätte man wohl die Aufbauleistung in der Bundesrepublik Deutschland nicht geschafft. Zu unserem Menschenbild gehört, dass wir dem einzelnen Menschen etwas zutrauen. Freiheit ist kein Selbstzweck. Freiheit wird im Wesentlichen nicht als Freiheit von etwas definiert, sondern Freiheit ist in unserem Verständnis eine Freiheit, die den Menschen zu etwas befähigt. Freiheit ist niemals denkbar als eine Freiheit, die nur auf den einzelnen bezogen ist, sondern immer als das Verständnis des Menschen, der anderen Menschen zugewandt ist. Insofern müssen wir darüber sprechen, wie wir jenseits eines kalten Pragmatismus im 21. Jahrhundert unser Land gestalten wollen. Wir müssen uns auf unsere Werteordnung besinnen, aber nicht im Abstrakten, sondern eben in täglichen ganz konkreten Fragestellungen. Vielleicht ist für die Christlich Demokratische Union, und da bitte ich den Evangelischen Arbeitskreis auch ein ständiger Mahner zu sein, das aller wichtigste, dass unsere theoretischen Wertevorstellungen und unsere praktischen Handlungen nicht auseinander fallen. Das ist die Aufgabe derer, die politisch tätig sind.\r\n\r\nUnd Werte konkret im politischen Alltag zu leben, das ist oft gar nicht so einfach. Mir ist dies immer wieder bei unseren Gesprächen über die Familie aufgefallen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Familie im 21. Jahrhundert trotz aller Individualisierung genauso wichtig, fundamental, und konstitutiv für unsere Gesellschaft ist, wie sie das in den vergangenen Jahrhunderten war. Aber machen wir uns nichts vor, die Wahrnehmung vieler Menschen ist, dass dennoch die Entscheidung für eine Familie, für Kinder, eine Entscheidung ist, die die Gefahr mit sich bringt, nicht an der Wohlstandsentwicklung, nicht an den gesellschaftlichen Möglichkeiten im gleichen Maße teilhaben zu können, wie dies andere tun. Nun weiß ich sehr wohl, dass Familie nicht auf Geld zu reduzieren ist, darum soll es auch nicht gehen. Aber, wenn es bei Konrad Adenauer und Ludwig Erhardt um Wohlstand für alle ging, dann waren die Familien mit Sicherheit nicht von vornherein ausgeschlossen. Bei der Gestaltung des Rentensystems Ende der 50er Jahre hat sich in ähnlich dramatischen Debatten wie heute die Frage gestellt, wie man Kinder in der Rentenversicherung berücksichtigt. Adenauer hat sich wahrscheinlich nicht oft geirrt, aber in der Annahme, dass die Menschen Kinder schon von alleine bekommen, da hat er sich offensichtlich geirrt. Denn er hat damals gesagt: „Kinder kriegen die Leute von alleine und deshalb brauchen wir in der Rente Kinder nicht zu berücksichtigen.“\r\n\r\nHeute stehen wir vor der Aufgabe, unsere Gesellschaft menschlich zu erhalten, und da wird in den nächsten zehn, zwanzig Jahren mit Sicherheit einer der wesentlichen Schwerpunkte auch auf der praktischen Ausgestaltung der Familienpolitik liegen. Und dazu wird das Thema Familiengeld genauso gehören wie das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie, auch ein Thema, das zu besprechen uns miteinander nicht immer leicht fällt. Denn auch da zeigt sich das gesamte Spannungsverhältnis der Union. Unser Menschenbild hat uns immer gesagt: Wir schreiben den Menschen nicht vor, wie sie leben sollen. Für uns ist eine Frau nicht etwa nur gleichberechtigt, wenn sie im Erwerbsleben steht – aber Wahlfreiheit heisst eben auch, wenn sie sich für Vereinbarkeit von Beruf und Familie entscheidet, dann müssen dafür auch die Möglichkeiten gegeben sein.\r\n\r\nMeine Damen und Herren, ein nächster Punkt, bei dem der Evangelische Arbeitskreis immer gefordert sein wird, ist das Thema Bildung. Roman Herzog hat uns vor Jahren gesagt, dass wir uns ein bisschen bewegen sollen. Er hat das mit dem schönen Wort des Rucks beschrieben. Meine Damen und Herren, Bildung wird immer auch Vielfalt bedeuten. Bildung wird immer angepasst sein müssen an das, was die Menschen können und was die Menschen wollen. Unser Verständnis vom Menschen bedeutet, das wir froh darüber sind, dass die Menschen unterschiedlich sind, dass sie unterschiedlich geschaffen sind, und wir haben nie den Anspruch erhoben, sie durch möglichst langes Zusammenpferchen gleich zu machen. Wir wollen, dass jeder Mensch in dieser Gesellschaft seine Fähigkeiten und Fertigkeiten möglichst weitläufig leben kann. Und dazu brauchen wir ein Bildungssystem, das diese Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt und nicht einengt. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat der junge Ministerpräsident Helmut Kohl einen großen Beitrag dazu geleistet, dass außer Konfessionsschulen auch noch andere Schulen möglich waren. Heute stellt sich die Aufgabe ganz anders herum. In Berlin muss man darauf achten, dass private Schulen überhaupt noch möglich sind, wenn die Kommunisten wieder ihre Hand im Spiel haben und das Bildungssystem gleichschalten wollen.\r\n\r\nLiebe Freunde, ein dritter Punkt, das ist der Punkt, der sich mit den Grenzen des Lebens beschäftigt. Ein Punkt, an dem der Evangelische Arbeitskreis als Mahner, als Sachwalter des Lebens in den vergangenen Monaten eine ganz herausragende Rolle gespielt hat. Ein Punkt, in dem es erfreulicherweise eine sehr enge Übereinstimmung zwischen der Evangelischen Kirche und dem Evangelischem Arbeitskreis gibt, eine Tatsache, die Anfang der 90er Jahre im Zusammenhang mit der Diskussion über den Paragraphen 218 so zehn Jahre später gar nicht erwartet werden konnte. Man sieht daran, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der wir alle nachdenken, immer wieder unsere Überzeugungen auf den Prüfstand stellen.\r\n\r\nDie Tatsache, dass die wissenschaftlichen Möglichkeiten uns heute am Anfang und am Ende des Lebens unglaubliche Möglichkeiten des Eingreifens geben, diese Tatsache stellt uns vor die vollkommen neue Aufgabe, Grenzen zu setzen. Grenzen zu setzen in der Frage: Was dürfen wir? Was dürfen wir nicht?\r\n\r\nWir dürfen mit Sicherheit nicht alles, was wir können. Aber können im protestantischen Sinne verstanden ist sicherlich auch immer können im Sinne von verantworten können. Und insofern ist es immer eine Frage der Verantwortung, und wenn ich anknüpfe an die Worte von Konrad Adenauer, die Herr Breuer hier genannt hat, das Verhältnis vom Diesseits zum Jenseits, so wird es im Umgang mit dem Anfang und dem Ende des Lebens immer auch Respekt und Klarheit darüber geben, dass uns bestimmte Grenzen gesetzt sind, uns, dem einzelnen Menschen, der damit verantwortlich umgehen muss. Aber wir haben auch erlebt, dass selbst diese Diskussion bei gleichem Grundverständnis uns nicht immer zu den gleichen Antworten bringt. Und deshalb bin ich, das will ich ganz ausdrücklich sagen, ausgesprochen dankbar, in welchem gegenseitigen Respekt wir die Debatte über die Bioethik in den letzten Wochen und Monaten geführt haben. Diese Debatte wird uns in den nächsten Jahren weiter begleiten. Uns wird die Debatte um das Umgehen mit dem Tod, mit dem Sterben, begleiten, und, lieber Jochen Borchert, nehmen Sie diese Herausforderung mit Ihren Mitstreitern im Evangelischen Arbeitskreis weiter so an.\r\n\r\nLiebe Freunde, meine Damen und Herren, die drei Themen wären beliebig zu ergänzen, zum Beispiel um die Frage, was soziale Marktwirtschaft in einer globalen Welt bedeutet. Sie wären auch um das Thema, das Jürgen Rüttgers angesprochen hat, zu ergänzen: Was bedeutet das Leben von Christen im Zusammenleben mit Menschen anderer Religionen? Was heisst Integration? Ich wünsche mir, dass wir als Christlich Demokratische Union in all diesen Feldern Motor sind. Motor einer Debatte, die diese Bundesrepublik Deutschland als ein aufgeschlossenes Land, als ein freundschaftlich offenes Land, aber auch als ein stolzes Land in Europa und in der Welt darstellt. Und ich bin mir ganz sicher, dass wenn die Christlich Demokratische Union die Kraft dazu aufbringen will, dass sie dann das Wort der katholischen Christen ebenso braucht, wie das der evangelischen Christen. Ich bin mir sicher, dass das eigene Wort in einer Welt, in der noch nicht alle Antworten gefunden sind, genauso viel Mut erfordert, wie das in den 50er, 60er und 70er Jahren der Fall war. Im Evangelischen Arbeitskreis waren immer mutige Menschen, und deshalb wünsche ich dem Evangelischen Arbeitskreis den Mut zum offenen Wort, die Freude an der Arbeit, aber auch die Lust am Feiern und noch viele Veranstaltungen, bei denen Sie nicht wieder Gäste ausladen müssen, sondern bei denen alle Gäste willkommen sein können. Die Tatsache, dass Sie welche ausladen mussten, spricht für die Attraktivität des Evangelischen Arbeitskreises, und so soll es bleiben.\r\n\r\n Herzlichen Dank.
Grußwort des Alt-Bundeskanzlers, Dr. Helmut Kohl
Lieber Roman Herzog,\r\nsehr geehrter Herr Ratsvorsitzender,\r\nliebe Frau Merkel,\r\nlieber Herr Borchert,\r\nmeine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Gäste,\r\nund vor allem liebe Freunde aus der Union und aus dem Evangelischen Arbeitskreis,\r\n\r\ndies ist ein wichtiger Tag in der Geschichte unserer Partei. Es ist einer jener Tage, an dem man inne halten kann und einen Moment zurückblickt, weil man nur aus diesem Rückblick den gegenwärtigen Standort bestimmen kann und die Zukunft erkennt.\r\n\r\nDer Arbeitskreis feiert seinen 50. Geburtstag. Das hört sich so einfach an. Aber was sind das für 50 Jahre, die wir gemeinsam gegangen sind? Für mich ist dies ein Besuch des Wiedersehens. Ich durfte an vielen Tagungen des EAK teilnehmen, auch vor 25 Jahren hier in Siegen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie damals Gerhard Schröder - „unser Gerhard Schröder, meine Damen und Herren - die Jubiläumsveranstaltung eröffnete. Schon das erste Jubiläum war ein Grund zum dankbaren Rückblick. Die heutige Veranstaltung ist es noch viel mehr.\r\n\r\nIn all den Jahrzehnten haben viele ihren Beitrag für den Evangelischen Arbeitskreis geleistet. Ich spreche jetzt nicht nur von einzelnen Persönlichkeiten, sondern von den vielen in den Ortsverbänden, den Kreisverbänden und den Landesverbänden. Sie sind oft in einer ganz unprätentiösen Weise für die Ziele unserer Arbeit eingetreten.\r\n\r\nHeute feiern wir den Gründungstag im wiedervereinten Deutschland. 1952 lautete das Tagungsmotto noch: „Unsere politische Verantwortung in einem geteilten Deutschland“. Diesmal schreiben wir: „Unsere politische Verantwortung für ein geeintes Europa“. Dafür haben wir in den letzten Jahrzehnten hart gearbeitet. Das war nicht einfach. Aber wir haben Recht behalten mit unserer Politik! Wir haben nicht nur eigene Leistungen erbracht. Das war vielleicht das Wenigste. Wir haben auch Glück und Gottes Hilfe auf diesem Weg erfahren. Dass die CDU und der EAK ihre Bundesgeschäftsstellen jetzt in Berlin haben, wo Mauern und Stacheldraht die Menschen nicht mehr trennen, erfüllt mich das mit großer Freude. Und dass ich jetzt mein Büro Unter den Linden habe, ist für mich die Vollendung eines Traumes. Ich weiß vielen unter uns ergeht es ähnlich.\r\n\r\nUnd ein weiterer Traum ist Wirklichkeit geworden: Seit ein paar Wochen, liebe Freunde, seit dem 1. Januar 2002, haben wir in Europa eine gemeinsame Währung. Die Einführung des Euros ist einer der bedeutendsten Marksteine in der Geschichte der Europäischen Union. Auch hier hat sich gezeigt: Die Visionäre haben sich als die wahren Realisten erwiesen. Dass Adenauer und Churchill, Schuman und Monnet, um nur wenige zu nennen, die richtige Richtung vorgaben, und dass wir, ich sage es noch einmal, mit Gottes Hilfe diesen Weg weitergehen durften, ist ein großartiges und wunderbares Ereignis. Das alles war überhaupt nicht selbstverständlich. Und die Geschichte hat uns diesen Weg nicht zwangsläufig vorgegeben.\r\n\r\nNach 1945 fanden sich Katholiken und Evangelische zusammen, die aus der gemeinsamen Erfahrung der ausgehenden Weimarer Republik, der Verfolgung im Dritten Reich und des Zweiten Weltkrieges einen politischen Neuanfang wagten. Sie ließen sich bei diesem Neubeginn vom christlichen Menschenbild leiten. Das war die Voraussetzung für eine soziale und eine freiheitliche Demokratie.\r\n\r\nDa ja derzeit eine Menge Geschichtsfälscher unterwegs sind, sei an den Gründungsaufruf der Christlich Demokratischen Union Deutschlands vom 26.Juni.1945 erinnert: Er war der erste offizielle Aufruf, das erste Dokument des Reichsverbandes der Christlich Demokratischen Union Deutschlands, wie die CDU damals hieß. Andreas Hermes war zum 1. Vorsitzenden gewählt worden, ein Minister aus der Regierung Heinrich Brünings. Er war ein Mann, der noch einen Tag, bevor Roland Freisler von einer Bombe getroffen wurde, zum Tode verurteilt worden war, Monate in einem Gefängnis saß, aber durch die Kriegswirren freikam. Es ist wichtig, sich das in Erinnerung zu rufen. Denn es zeigt, wie abwegig einige Urteile über die ausgehende Weimarer Republik sind, die in Unkenntnis oder böser Absicht in die Welt gesetzt werden.\r\n\r\nIch zitiere aus dem Gründungsaufruf, verfasst also fünf Wochen nach der Kapitulation des Dritten Reichs:\r\n\r\n„Aus dem Chaos von Schuld und Schande, in das uns die Vergottung eines verbrecherischen Abenteurers gestürzt hat, kann eine Ordnung in demokratischer Freiheit nur entstehen, wenn wir uns auf die Kultur gestaltenden, sittlichen und geistigen Kräfte des Christentums besinnen und diese Kraftquelle unserem Volk immer mehr erschließen“\r\n\r\nVon den 35 Unterzeichnern des Dokumentes kamen zwei Drittel aus Gefängnissen und Konzentrationslagern. Diese bittere Erfahrung der Jahrzehnte zuvor, und hier schließe ich auch die Zeit der Weimarer Republik ein, führte Männer und Frauen aus den Kirchen zusammen.\r\n\r\nDer Name „Christlich Demokratische Union“ wurde bewusst gewählt, um eine klare Wertorientierung am christlichen Menschenbild zum Ausdruck zu bringen. Dieses „C“ - und das muss man immer wieder sagen, weil oft anderes verbreitet wird - ist immer als Maßstab für das eigene Tun und nie als Ausschließlichkeitsanspruch gegenüber anderen verstanden worden. Doch wer lange genug in der Verantwortung war – wie auch ich -, weiß sehr genau, dass wir diesem hohen Anspruch nicht immer genügen.\r\n\r\nEs war auch das Ziel des EAK, die Bürger evangelischen Glaubens in besonderer Weise anzusprechen. Hermann Ehlers, damals Bundestagspräsident und EAK-Bundesvorsitzender, wollte mit dem EAK der Stimme nicht zuletzt der evangelischen Christen in Politik und Gesellschaft ein stärkeres Gehör verschaffen. Ich glaube, man kann heute, 50 Jahre danach, sagen: Der EAK hat in fünf Jahrzehnten seines Bestehens in diesem Sinne die Wertmaßstäbe, nach denen er angetreten ist, immer wieder hochgehalten. Damit hat er unserer Partei und - ich sage das ohne Überheblichkeit - auch unserem Land einen großen Dienst erwiesen. Dieser Dienst war früher wichtig, und er ist heute ebenso unentbehrlich in einer Zeit zunehmender Säkularisierung. Die kirchlichen Bindungen schwinden deutlich. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache, ohne dass Zahlen für sich allein schon etwas bedeuten.\r\n\r\nIn den 60er Jahren waren über 90% der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Mitglied einer der beiden großen Kirchen, in der DDR waren es damals noch zwei Drittel. Heute ist der Anteil der Kirchenmitglieder in der Bevölkerung im wiedervereinten Deutschland auf 65% zurückgegangen. Angesichts dieser dramatischen Entwicklung ist nicht nur die Verkündigung der Kirchen schwieriger geworden. Auch die Aufgabenstellung des Evangelischen Arbeitskreises muss sich in dieser Zeit bewähren.\r\n\r\nBei den aktuellen Debatten über Klonen, Stammzellenimport oder Sterbehilfe merken wir, wie sehr wir mit unserem Urteilsvermögen an eine Grenze stoßen und wie sehr wir, man kann das nicht oft genug sagen, auf ethische Maßstäbe angewiesen sind, die sich nicht aus dem Zeitgeist herleiten.\r\n\r\nIch ermutige den Evangelischen Arbeitskreis sehr dazu, diese Auseinandersetzung zu führen, um vor allem mit dem Hinweis auf das christliche Menschenbild unsere Position zu finden, zu erneuern und kraftvoll zu vertreten.\r\n\r\nLiebe Freunde, wir haben überhaupt keinen Grund zur Resignation. Und wir haben schon gar keinen Grund, die Fahne gegenüber dem Zeitgeist einzuziehen und uns mit unserer Grundüberzeugungen zu verstecken. Denn während andere Weltanschauungen wie Kommunismus und Sozialismus versagt haben, hat das Christentum nichts von seiner Wahrheit und seiner sinnstiftenden Kraft verloren.\r\n\r\nIch wünsche mir aus Anlass dieses Jubiläums: Helfen Sie mit, jeder nach seinen Möglichkeiten, dass unsere Wertordnung und die Prinzipien, nach denen wir uns leiten lassen, kraftvoll und ohne Ängstlichkeit im Alltag, wenn man dem Zeitgeist widerstreben muss, zu vertreten. Helfen Sie mit, dass das „C“, so wie wir es interpretieren, als Leitschnur und Orientierung in unserer Partei, in unserer Gesellschaft und in der Politik erhalten bleibt. Ich wünsche dem Evangelischen Arbeitskreis auf diesem Weg und damit uns allen Gottes Segen und viel Erfolg
Grußwort des Ratsvorsitzenden der EKD, Präses Manfred Kock
Dialog in der Spannung zwischen Neutralität und Partnerschaft -\r\nDie evangelische Kirche im Verhältnis zum Evangelischen Arbeitskreis\r\nder CDU /CSU\r\n\r\nGrußwort bei der Feierstunde anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des\r\nEvangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK)\r\nam 16.3.2002 in Siegen\r\n\r\n\r\nSehr geehrter Herr Professor Herzog,\r\nsehr geehrter Herr Dr. Kohl,\r\nverehrte Frau Dr. Merkel,\r\nlieber Herr Borchert,\r\nmeine Damen und Herren!\r\nZu Beginn einer neuen Legislaturperiode ist es für unseren Bevollmächtigten in Berlin bei manchen Abgeordneten schwierig, herauszufinden, ob sie zu seiner Bundestags-Gemeinde gehören. Gar nicht wenige lassen ihr Konfessionsmerkmal versehentlich oder mit Absicht unter den Tisch fallen. Aber jedenfalls steht eines fest: die evangelischen Mitglieder der Bundestagsfraktion der CDU/CSU haben diese Hemmungen nicht. Sie geben sich deutlich zu erkennen und identifizieren sich mit ihrer konfessionellen Herkunft.\r\nSich im Raum der Politik zu seiner Konfession zu bekennen, das ist heutzutage trotz aller Freiheit leider nicht selbstverständlich. Um so mehr danke ich Ihnen, meine Damen und Herren, dass Sie mit dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU seit 5 Jahrzehnten politisch engagierte Christinnen und Christen sammeln, die nicht nur im Blick auf ihre parteipolitische Zugehörigkeit, sondern auch im Blick auf ihre konfessionelle Identität Farbe bekennen.\r\n Nicht eine Farbe, sondern die bunte Vielfalt der protestantischen Herkünfte spiegelt sich auch in Ihren Reihen. Das ist auch so bei Christinnen und Christen in den anderen Parteien, aber in keiner Partei gibt es einen vergleichbaren Zusammenschluß und Zusammenhalt evangelischer Parteimitglieder, politischer Mandats- oder Amtsträger, wie dies in der CDU/CSU der Fall ist. Zu dieser evangelischen "Profilkante" kann ich Ihre Partei am 50. Jahrestag der Gründung des EAK nur beglückwünschen!\r\nÜber die historischen Gründe, die zur Bildung des EAK führten und über den Verlauf der Geschichte des Arbeitskreises werden heute andere berichten. Ich stelle nur fest:\r\nDie Existenz des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU ist für viele Menschen in unserem Land ein Zeichen dafür, wie Christinnen und Christen versuchen, ihr parteipolitisches Engagement mit ihrem gelebten Glauben in Verbindung zu halten.\r\nDas Verhältnis des Protestantismus zum politischen Engagement und zu politischen Parteien war nach den politischen Irrungen und Wirrungen der evangelischen Kirche im Dritten Reich und nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs nicht unkompliziert.\r\nAktuelle Sorgen und Schwierigkeiten der Kirche seien gar nicht verschwiegen, so die im Osten stark geschwächte und im Westen immerhin abnehmende Resonanz der Verkündigung des Evangeliums und die, wenn auch neuerdings langsamere, so doch anhaltende Verringerung der Zahl der Kirchenmitglieder.\r\nEvangelische Freiheit aus dem Glauben an Gottes Gnade zielt auf die Verantwortung für den Nächsten. Sie orientiert sich an dem Willen Gottes und an der biblischen Sicht vom Menschen und setzt insofern auch immer einen kritischen Akzent gegenüber parteipolitischem Kalkül.\r\n Evangelisch – das heißt: die Botschaft von der Gnade Gottes befreit zum dankbaren Dienst an seinen Geschöpfen, auch in der Politik, die ja manchmal ein undankbares Aufgabenfeld sein kann. Wer nur seinem Gewissen verpflichtet ist, findet sich schnell in einem Spannungsfeld vor, das die Grenzen seiner Möglichkeiten markiert. Nun gilt es, Politik als die Kunst des Möglichen mit einer anderen Kunst zu verbinden: der Freiheit eines Christenmenschen, der niemandem untertan ist und niemandes Knecht und der doch zugleich, jedermann untertan und jedermanns Diener sei, wie Luther treffend gesagt hat.\r\n\r\nDieses von der Rechtfertigung geprägte christliche Menschenbild haben wir Evangelischen als unverwechselbares Angebot in die Politik einzubringen, gerade in einer Zeit, in der angesichts komplexer politischer Entscheidungen der Ruf nach ethischen Grundlagen laut wird. Lassen Sie es mich so sagen: Ich habe den Eindruck, daß der Evangelische Arbeitskreis diese Fragen deutlich stellt und dazu hilft, daß sie in der Gesellschaft intensiver diskutiert werden. Dafür bin ich sehr dankbar.\r\n Die Bedeutung der in der Gottesebenbildlichkeit begründeten Menschenwürde ist deutlicher denn je herauszustellen. Wo Flüchtlinge und andere Ausländer angefeindet und in der Konsequenz feindseliger Propaganda sogar gewalttätig angegriffen werden, geht es um diese Grundlagen wie sie zum Beispiel das 1997 erarbeitete gemeinsame Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht benennt: „Für Christen sind Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ... die Verneinung der Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen.“\r\nVergleichbares gilt auch für die Forderung des Lebensschutzes, zu dem neben dem strafrechtlichen Schutz vorgeburtlichen Lebens immer stärker heute der Umgang mit den sehr frühen Formen des menschlichen Lebens und die Frage nach dem Sterben in Würde treten.\r\nDarum begrüßen wir weiterhin eine partnerschaftliche Aufgeschlossenheit der Parteien gegenüber der Kirche, wie sie der EAK vermittelt. Aufgeschlossenheit von beiden Seiten - mehr braucht es nicht zu sein, aber es sollte auch nicht weniger sein.\r\ner ist denn je. Durch Ihre Mitarbeit im Evangelischen Arbeitskreis bringen Sie, meine Damen und Herren, zum Ausdruck, dass die Arbeit in politischen Ämtern unter dem Zuspruch des Evangeliums steht. Dafür danke ich Ihnen im Namen des Rates der EKD und wünschen Ihnen - ad multos annos - Gottes Segen.
Grußwort des EAK-Landesvorsitzenden von NRW, Thomas Rachel MdB
zur 50-Jahr-Feier des EAK der CDU Deutschlands\r\nam 16. März 2002 in Siegen\r\n\r\n\r\nSehr geehrter Herr Bundespräsident,\r\nliebe Angela Merkel,\r\nlieber Jochen,\r\nsehr geehrte Damen und Herren,\r\n\r\n\r\ndie Gründungsversammlung des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU Deutschlands hatte nicht nur eine hervorragende Bedeutung für die CDU, sondern sie hat auch ein Stück Zeitgeschichte geschrieben.\r\nKonrad Adenauer hat in seiner Ansprache nicht nur zu den Delegierten, sondern auch – über die Medien vermittelt – zu den Völkern der Welt gesprochen. Er hat in der ihm eigenen Klarheit dem wenige Tage zuvor erfolgten sowjetischen Vorschlag einer Neutralisierung Deutschlands – der als Stalin-Note in die Geschichtsbücher eingegangen ist – eine klare Absage erteilt.\r\nAdenauer wusste um den unauflöslichen Zusammenhang von Freiheit und Selbstbestimmung. Er wollte dem Westen Deutschlands das Schicksal der DDR ersparen. Er war davon überzeugt, dass der Weg zur Deutschen Einheit nur über die Brücke der Freiheit führt. Die Geschichte hat ihm Recht gegeben.\r\n\r\n Sehr geehrte Damen und Herren,\r\nMich bewegt in diesem Zusammenhang besonders, dass es fünfzig Jahre nach der Stalin-Note eine Partei in der deutschen Hauptstadt gibt, die geschichtsvergessen eine Regierung mit den Erben der letzten deutschen Diktaturpartei gebildet hat. Die SPD-PDS-Koalition in Berlin ist eine Schande für unser Land.\r\n\r\nDie Gründung des EAK geht unter anderem auf eine Initiative von Ernst Bach zurück, der zur damaligen Zeit nicht nur Bundesschatzmeister der CDU, sondern auch Oberbürgermeister von Siegen war. Das ist möglicherweise der Grund für die Wahl Siegens als Ort der Gründungstagung.\r\n\r\nDas klingt nach Zufall. Kein Zufall ist es hingegen, daß die Gründungstagung in NRW stattfand. Christen von der Evangelischen Tagung Rheinland und der Evangelischen Tagung Westfalen sind von tragender Bedeutung für die Gründung des EAK.\r\n\r\nManche sagen, Rheinländer seien reine Frohnaturen, Westfalen hingegen seien ein wenig stur. Jeder, der sie kennenlernt, wird schnell merken müssen, daß das nicht stimmt. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen neigen weder dazu, alles auf die leichte Schulter zu nehmen, noch zeigen sie sich von ihrer Umgebung unberührt. Dazu kommt noch, daß hier in NRW viele Menschen wohnen, denen ihr Glauben sehr viel bedeutet – das gilt für Protestanten wie für Katholiken.\r\n\r\nDeshalb verschaffen und verschafften sich Christen in NRW immer wieder Gehör, wenn es um Politik, um Gesellschaft, um Land und Leute ging. Die Bekenntnissynode von Barmen 1934 ist so ein Beispiel. In der späteren Evangelischen Tagung Rheinland und der Evangelischen Tagung Westfalen fanden sich eine ganze Reihe von Gliedern der Bekennenden Kirche wieder, wie auch später im Bundesarbeitskreis. Auch der Oldenburger Hermann Ehlers, der erste Bundesvorsitzende des EAK, war einer von ihnen. Der frühere Bundestagspräsident Hermann Ehlers würde 2004 einhundert Jahre alt werden. Dies könnte und sollte Anlass für die Post sein, eine Briefmarke für Hermann Ehlers zu seinem 100. Geburtstag herauszugeben.\r\n\r\nSehr geehrte Damen und Herren,\r\nin Nordrhein-Westfalen weiß man um die besondere Kraft, die im Miteinander der Konfessionen liegt. In unseren Kirchengemeinden, den katholischen wie den evangelischen, gibt es eine große Aufgeschlossenheit – ja geradezu ein Bedürfnis – nach ökumenischem Miteinander. Der Evangelische Arbeitskreis (EAK) in Nordrhein-Westfalen hat deshalb im Laufe der fünf Jahrzehnte seines Bestehens einen Bedeutungswandel erfahren:\r\nWar im Zeitpunkt der Gründung die evangelische Stimme in einer Partei mit stark katholischer Prägung das zentrale Anliegen, so verstehen wir uns heute als evangelisches Grundwerteforum – ja auch als Ort des ökumenischen Dialogs. Wir spüren ein großes Bedürfnis, abseits der tagesaktuellen Fragen grundlegende Themen - wie etwa die Bioethik, die Herausforderungen der Globalisierung oder auch das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen – zu besprechen. Der EAK war nie eine mächtige Organisation – immer aber Ausdruck des Wunsches, dass wir uns in der Politik unserer christlichen Wurzeln versichern und die ethischen Fragen von ihren unterschiedlichen Dimensionen her bedenken.\r\n\r\nSehr geehrte Damen und Herren,\r\ndie hohe Zahl der Teilnehmer – über 2000 - an der heutigen Jubiläumsveranstaltung zeigt das große Bedürfnis, das es für unsere Arbeit auch nach fünf Jahrzehnten noch gibt. Es macht uns stolz, dass aus dem Evangelischen Arbeitskreis bisher wichtige Persönlichkeiten hervorgegangen sind. Und es krönt unsere Tagung, dass Roman Herzog hier heute den Festvortrag hält!\r\n\r\nEs gehört zur Wahrheit, dass das Verhältnis zu unseren Landeskirchen, den Kirchenkreisen und Gemeinden nicht immer spannungsfrei war. Für viele treue Christen war der EAK auch so etwas wie eine Klagemauer für Zweifel und Sorgen im Blick auf die eigene Kirche. Wenn wir den Bogen vom Jahr 1952 bis zum Jahr 2002 schlagen, dann ist beim Gegensatz von Staat und Kirche in der Frage des Militärs ein unübersehbarer Wandel eingetreten. Der Schlusspunkt unter den alten Konflikt – ich nenne hier die Auseinandersetzung um die Wiederbewaffnung zwischen Martin Niemöller und Hermann Ehlers oder den Konflikt zwischen Teilen der evangelischen Kirche und der CDU um den NATO-Doppelbeschluss – ist mit der differenzierten Stellungnahme des Rates der EKD zum Kosovo-Krieg gesetzt worden. Die Erklärung der EKD hat anerkannt, dass der Schutz vor Vergewaltigung, Folter und Mord auch militärische Mittel verlangen und ethisch rechtfertigen kann.\r\n\r\nSehr geehrte Damen und Herren,\r\nheute stelle ich als Landesynodaler in unserem Kirchenparlament mit besonderer Freude fest, dass das Verhältnis zu unserer Kirche ein äußerst gedeihliches und konstruktives geworden ist. Dies haben auch die Gestaltung des Gottesdienstes durch Präses Sorg und durch das Grußwort des EKD-Ratsvorsitzenden Präses Kock nachdrücklich gezeigt.Ich verspreche allerdings, dass der EAK auch in Zukunft ein streitfreudiger, aber konstruktiver Gesprächspartner bleibt, wenn es um die Schnittstelle von Glauben und Leben geht.\r\n\r\nSehr geehrte Damen und Herren,\r\nin all den Jahrzehnten unseres Bestehens haben wir im EAK auch immer wieder den Generationenanschluss geschafft. So habe ich mich gefreut, dass der EAK-Landesverband Nordrhein-Westfalen nach der langen und erfolgreichen Amtszeit von Hans-Ulrich Klose mir seinerzeit im Alter von 33 Jahren als einem Vertreter der jungen Generation diese wichtige Aufgabe anvertraut hat. Ich habe in den sechs Jahren meiner bisherigen Amtszeit stets die Unterstützung der Alten und der Jungen erfahren.\r\n\r\nLiebe Freunde,\r\nder EAK ist oft totgesagt worden. Und „Totgesagte“ leben bekanntlich länger. Wir leisten uns den Luxus, in unserer schnellebigen Zeit auch tiefergehende Diskussionen zu führen. Das bringt nicht die Schlagzeilen, aber es tut der Politik gut.\r\n\r\n\r\nSo ist der EAK vielleicht die stille und dienstbare Magd der CDU, wobei unsere Parteivorsitzende Angela Merkel und unser Landesvorsitzender Jürgen Rüttgers durch ihre Anwesenheit deutlich machen, dass ihnen unsere Arbeit wichtig ist.\r\nLieber Jochen Borchert! Der EAK Nordrhein-Westfalen ist stolz darauf, mit Dir den jetzigen Bundesvorsitzenden des Evangelischen Arbeitskreises zu stellen.\r\nWir wünschen allen Freunden des Evangelischen Arbeitskreises Glück und Gottes Segen – einstweilen für das nächste halbe Jahrhundert unserer Arbeit.\r\nIn einem Schreiben vom 13.12.1951 wies Bach Konrad Adenauer auf die Gefahr hin, die in der Vernachlässigung des evangelischen Wählerpotentials liegt. Er wünschte eine stärkere Darstellung der CDU als gesamtchristliche Sammlungsbewegung (Egen, 90).