Kirche zu Corona-Zeiten

14.03.2021

Pfarrer Hartmut Marks äußert sich zur Rolle und Bedeutung der Kirche in Zeiten der Corona-Pandemie.

Liebe Freundinnen und Freunde des Evangelischen Arbeitskreises im Kreis Unna!

Seit nunmehr einem Jahr können keine Veranstaltungen unseres EAK stattfinden. Daher schreibe ich Ihnen heute einige Gedanken mit der Anregung zum Mitdiskutieren!
„Angesichts des tausendfachen Sterbens sind die Kirchen überflüssig geworden“, befindet der evangelische Theologe Gerhard Wegner in der FAZ. Er wirft den Kirchen vor, angesichts der Corona-Pandemie mit über 65000 Toten, der damit verbundenen Trauer und der nötigen Krisenbewältigung durch Unsichtbarkeit zu glänzen und sich selbst überflüssig gemacht zu haben.
Auf den ersten Blick gesehen könnte Wegner Recht haben. Die Evangelische Kirche in Westfalen fällt nicht durch eine Öffentlichkeitsarbeit auf, die auf Effekte abzielt: keine Mahn- oder Totenwachen, keine überflüssigen Diskussionen, ob man Gott für Corona verantwortlich machen könne.
Wenn man aber hinter die Kulissen schaut, dann bemerkt man, wie intensiv seelsorglich die Kirche tätig ist. In Krankenhäusern, Pflegeheimen und im häuslichen Bereich sind zahlreiche Seelsorger/innen im Rahmen strikter Sicherheitsmaßnahmen tätig. In den Gemeinden sind die Pfarrer/innen bemüht, Gottesdienste im Internet zu übertragen, Konfirmandenunterricht zu zoomen, Besuche zu machen… Trotzdem können sie wenig tun gegen das einsame Sterben in unseren Krankenhäusern und Altenheimen.
Ich finde das Sterben in Einsamkeit schrecklich: Niemand von den Angehörigen kann die Hand halten, dem Sterbenden nahe sein und schon gar nicht darf ein/e Seelsorger/in ein Gebet sprechen.
Beim Landgericht Altenburg erstritt ein Pfarrer das Recht, eine Bewohnerin im Sterben begleiten zu dürfen. Das Gericht entschied im Sinne des Grundrechts zur religiösen Begleitung. Das sollte m.E. häufiger geschehen: die Maßnahmen hinterfragen, Änderungen anregen oder auch erstreiten. Sterbende und ihre Angehörigen haben das Recht (Grundrecht) auf menschliche Nähe. Ich habe die damit verbundenen Nöte in den Familien kennengelernt.
Was ich vermisse?
Vorschläge, Anregungen und Anmahnungen seitens der Kirche:
- ausreichend Schnelltests vorzuhalten, um Besuche wieder zu ermöglichen
- Hilfe zur Begleitung alter Menschen in die Impfzentren anzubieten
- Begleitung von Sterbenden zu erstreiten
Da sehe ich Bedarf, das könnten Gemeinden problemlos organisieren und wären zudem wieder nah bei den Menschen! Da ist jede helfende Hand gefragt.
Und da bin ich bei jedem Einzelnen von uns.
Wir alle sind Kirche, ein Teil von ihr.
Wir alle können uns gegenseitig stützen und unterstützen in diesen schweren Zeiten
Und da gilt es, auf viele positive, solidarische Aktivitäten hinzuweisen, wo Nächstenliebe im wahrsten Sinne des Wortes praktiziert wird. In der Familie, in der Nachbarschaft, im Freundeskreis, da passiert schon viel. Lassen wir darin nicht nach, ermutigen wir uns gegenseitig, motivieren wir uns gegenseitig!
Nah bei den Menschen sein, das ist der Auftrag Jesu an uns.

Wenn Sie Anregungen, eigene Erlebnisse und Gedanken zu diesem Thema haben schreiben Sie mir bitte unter marks-werne [at] web.de.

Bleiben Sie gesund!
Ihr
Hartmut Marks